Die neunte Ausgabe des Globalen Rechtsindex des IGB (abrufbar unter www.globalrightsindex.org) bewertet 148 Länder anhand ihrer jeweiligen Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und liefert mit einem umfassenden Überblick über Arbeitnehmerrechte in der Gesetzgebung eine einzigartige Datenbank. Fälle von Rechtsverletzungen und Ratings können nach Land und Region betrachtet werden.
In mehreren Bereichen wurde ein Neunjahreshöchsstand verzeichnet:
- 113 Länder haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen, gegenüber 106 im Jahr 2021. In Afghanistan, Burkina Faso, Myanmar, Syrien und Tunesien wurde den Beschäftigten eine Interessenvertretung am Arbeitsplatz verweigert.
- 77% der Länder haben Beschäftigten das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften verweigert.
- In 74% der Länder wurde die Zulassung von Gewerkschaften von den Behörden behindert, gegenüber 59% im Vorjahr, wobei unabhängige Gewerkschaftsaktivitäten in Afghanistan, Ägypten, Belarus, Jordanien, Hongkong, Myanmar und dem Sudan von staatlicher Seite aus unterbunden wurden.
- In 50 Ländern waren arbeitende Menschen körperlicher Gewalt ausgesetzt, gegenüber 45 im Jahr 2021, wobei sich der Prozentsatz der Länder in der asiatisch-pazifischen Region von 35% auf 43% erhöht hat und in Europa von 12% auf 26%.
- 87% der Länder haben das Streikrecht verletzt. In Ägypten, Belarus, Indien, Myanmar, den Philippinen und dem Sudan wurden Streiks mit der Verhaftung führender Gewerkschaftsvertreter*innen oder brutalen Repressionen erwidert.
- Vier von fünf Ländern haben Tarifverhandlungen vereitelt. Das Tarifverhandlungsrecht wird in allen Regionen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor untergraben. In Tunesien können ohne Genehmigung des Regierungschefs keine Verhandlungen mit Gewerkschaften stattfinden.
IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow merkt an: “Wir wissen, dass arbeitende Menschen an vorderster Front zahlreicher außerordentlicher Krisen stehen: Ungleichheit, die historische Dimensionen erreicht hat, Klimanotstand, eine Pandemie, die Leben und Lebensgrundlagen zerstört, und Konflikte mit verheerenden Auswirkungen auf nationaler und internationaler Ebene.“
“Der Globale Rechtsindex des IGB 2022 macht deutlich, wie diese Instabilität von vielen Regierungen und Arbeitgebern ausgenutzt wird, um die Arbeitnehmerrechte mit Füßen zu treten.“
“Wir müssen das Unrecht offenlegen, um den Regierungen klarzumachen, dass sie den Wiederaufbau mit einem neuen Sozialvertrag beginnen müssen: Arbeitsplätze, Löhne, Rechte, Sozialschutz, Gleichstellung und Inklusion.”
- Die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen sind Ägypten, Bangladesch, Belarus, Brasilien, Kolumbien, Myanmar, die Philippinen und die Türkei sowie neu im Jahr 2022 Eswatini und Guatemala.
- El Salvador, Niger und Saudi-Arabien konnten ihr Rating gegenüber dem Vorjahr verbessern, während Afghanistan, Armenien, Australien, Burkina Faso, Guinea, Jamaika, Lesotho, die Niederlande, Tunesien und Uruguay alle ein schlechteres Rating erhalten haben.
- In 13 Ländern wurden Gewerkschafter*innen ermordet, 41% der Länder haben die Rede- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt, in 69 Ländern wurden Beschäftigte willkürlich verhaftet und inhaftiert, und 66% der Länder haben den Zugang erwerbstätiger Menschen zur Justiz verweigert oder beschränkt, u.a. in 95% der Länder in Afrika, gegenüber 76% im letzten Jahr.
“Die Welt braucht einen neuen Sozialvertrag, um damit beginnen zu können, diesen Schaden zu beheben. Arbeitende Menschen müssen wieder in den Mittelpunkt der Wirtschaft gerückt werden.“
“Erwerbstätige Menschen sind die ersten, die unter den Folgen von Krieg, autoritären Regierungen, ausbeuterischen Arbeitgebern und Tatenlosigkeit angesichts des Klimawandels zu leiden haben. Ihre Interessen müssen Priorität haben, wenn darüber entschieden wird, wie diese Krisen zu bewältigen sind. Und sie müssen über ihre Gewerkschaften ein Mitspracherecht dabei haben.“
“Dort, wo missbräuchliche Machtmonopole vorhanden sind, Menschen- und Arbeitnehmerrechtsverletzungen begangen werden oder für Frieden und Demokratie gekämpft wird, sind die Gewerkschaften zur Stelle, um für Gerechtigkeit, Rechte und die Interessenvertretung arbeitender Menschen zu sorgen. Ohne Gewerkschaften wird es zudem keinen gerechten Übergang vor dem Hintergrund des Klimawandels und technologischer Veränderungen geben.“
“Der Index 2022 liefert einmal mehr den Beweis dafür, dass die Beibehaltung des Status quo keine Option sein kann. Das aktuelle Wirtschaftsmodell hat einen Wettlauf nach unten begünstigt, bei dem Menschenrechte und Umweltnormen ignoriert werden. Die Neunjahresdaten des Index machen deutlich, dass dieser Trend zunimmt.“
“Arbeitnehmer und Verbraucher fordern Besseres. Sie fordern Arbeitsplätze, Löhne, Rechte, Sozialschutz, Gleichstellung und Inklusion. Sie fordern einen neuen Sozialvertrag, mit dem Vertrauen wiederhergestellt und mit dem Wiederaufbau ihres Lebens begonnen werden kann.”