Rund 30 Gewerkschafter:innen trafen sich in Ljubljana, um Halbzeitbilanz über das EU‑Projekt „Social Dialogue in DigitalPlatforms“ (SDDP) zu ziehen. Im Mittelpunkt standen drei Fragen:

·        Wie können Beschäftigte digitaler Plattformen wirksam vertreten werden?

·        Welche Rolle spielen Kollektivverträge, Betriebsrät:innen und die Sozialpartnerschaft in einer Arbeitswelt ohne klassische Anstellung?

·        Was bedeutet die neue EU‑Plattformrichtliniein der Praxis – und wie lässt sie sich zügig und wirkungsvoll in nationales Recht überführen?

 

Der Aufstieg der Plattformökonomie ist rasant: Nach Schätzungen der EU‑Kommission werden bis Ende 2025 rund 28 Millionen Menschen zumindest einen Teil ihres Einkommens über Apps und Online‑Marktplätze erzielen. Mit dem Wachstum wachsen jedoch auch die sozialen Fragen. Die überwiegende Mehrheit der Rider, Click‑ und Cloudworker gilt formal als selbstständig – damit fehlen Mindestlohn, Urlaubs‑ und Krankengeld sowie andere Arbeitsrechte. Besonders hart trifft es migrantische Beschäftigte in der Essenszustellung; für viele ist der Job längst zur Hauptquelle des Familieneinkommens geworden und keine Zwischenlösung mehr.

Aktuelle Herausforderungen für Gewerkschaften

Für Gewerkschaften ergibt sich daraus ein Dreifachproblem. Erstens fehlen ohne reguläres Arbeitsverhältnis alle klassischen Verhandlungsinstrumente. Zweitens erschwert die hohe Fluktuation im Sektor den Aufbau stabiler Belegschaftsstrukturen. Drittens verbreiten Plattformen das Narrativ „Sei dein eigener Chef“, um wirtschaftliche Abhängigkeiten zu kaschieren – während zugleich Algorithmen Aufträge, Ratings und Sperren steuern. Gewerkschaften setzen deshalb auf die kommende EU‑Plattformrichtlinie und auf arbeitsgerichtliche Verfahren, parallel aber auch auf Peer‑to‑Peer‑Ansätze, Community‑Hubs und Medienkampagnen, die den Flexibilitätsmythos entlarven und algorithmische Transparenz einfordern.

Wie Fortschritte aussehen können, zeigt Spanien. Mit der Einführung der „Riders Law“ erhielten Rider:innen einen klaren Anspruch auf reguläre Arbeitsverträge und grundlegende Schutzrechte. Entscheidend war nicht nur der Gesetzestext selbst, sondern auch sein konsequentes Durchsetzen. Das Ergebnis: spürbar bessere Arbeitsbedingungen, mehr Rechtssicherheit und eine gestärkte Beteiligung der Beschäftigten an betrieblichen Mitbestimmungsstrukturen.

EU‑Plattformrichtlinie: Wieso ist sie so wichtig?

Die im April 2024 verabschiedete Richtlinie stellt die Weichen für ganz Europa. Sie dreht die Beweislast um – künftig müssen Plattformen belegen, dass jemand tatsächlich selbstständig ist – schützt das Prinzip der Arbeitnehmer:innenvertretung und garantiert Auskunftsrechte bei algorithmischen Entscheidungen über Einsatz, Bezahlung oder Deaktivierung. Bis spätestens Herbst 2026 müssen alle Mitgliedstaaten diese Vorgaben umsetzen. Ob sie die Chance nutzen oder sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner begnügen, entscheidet über die Qualität von Millionen künftiger Jobs.

Kampagnenideen aus Ljubljana

In Ljubljana wurde über eine Kampagne zur Umsetzung von Mindeststandards gebrainstormt. Ein Vorschlag war, einen Tag der Plattformarbeit zu initiieren, um auf die Ausbeutung und Gefahren für u. a. Essenslieferant:innen aufmerksam zu machen. Ein anderer Vorschlag war, eine Pressekonferenz mit Merchandise-Artikeln und Give-aways zu veranstalten, um das Gefühl von „Community“ herzustellen.

Nach dem Motto „Nicht alle Probleme können durch eine angemessene Beschäftigung gelöst werden, aber keines von ihnen kann ohne sie gelöst werden“ wurde die Konferenzgeschlossen und die Teilnehmenden kehrten in ihre Länder zurück, um den Kampf gegen prekäre Arbeit weiterzuführen.