Unsere Zeit tickt im Rhythmus von Krisen: Der globale Klimawandel und seine negativen Effekte auf den Menschen, insbesondere der jüngeren und kommenden Generation. Die soziale Ungleichheit im nationalen und globalen Vergleich ist auf Rekordniveau. Global verlieren demokratische Institutionen an Vertrauen, während rechte Bewegungen erstarken. Geopolitische Spannungen nehmen zu, der Krieg ist auch wieder in Europa angekommen.

Globale Fragen brauchen internationale Antworten

Globale sozio-ökonomische und ökologische Herausforderungen rufen für nachhaltige Lösungen nach internationaler Zusammenarbeit. Die Internationale Gewerkschaftsbewegung ist die weltweit größte demokratische Bewegung.

2019 ruft das Internationale Referat des ÖGB in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) und kofinanziert von der Arbeiterkammer (AK) die International Trade Union School Austria, kurz ITUSA, ins Leben. Jeden Sommer kommen für zehn Tage Führungstalente der Gewerkschaftsjugend aus der ganzen Welt nach Österreich. Dieses Jahr waren es 17 Teilnehmer:innen  davon − 16 Frauen − aus 16 Ländern und von fünf Kontinenten. Unter der Lernbegleitung von Carol Beaumont, Gewerkschafterin und ehemalige Generalsekretärin der Gewerkschaft Neuseelands, und diesmal auch von Todd Brogan, Direktor der Global Organising Academy des IGB, arbeiten die Teilnehmer:innen gemeinsam an ihren nationalen Aktionsplänen. Auch Mitarbeiter:innen des ÖGB und der AK bringen ihre Expertise ein. Ziel ist die Vertiefung der Führungsqualitäten der jungen, aufstrebenden Gewerkschafter:innen.

Der Blick in andere Länder macht sichtbar: hohe Jugendarbeitslosigkeit, geringe Partizipation junger Menschen in der Gewerkschaft und Nicht-Einhaltung oder Aushöhlung von Arbeits- und Menschenrechten sind Trends in vielen, auch in den sogenannten „entwickelten“ Ländern. Es schmerzt, wenn die Gewerkschafts-Aktivist:innen Kara Taggaoa von den Philippinen und Petronella  Mpofu aus Simbabwe aus persönlichen Erfahrungen erzählen, dass Gewerkschafter:innen bedroht, physisch misshandelt, eingesperrt und ermordet werden oder spurlos verschwinden.  

Hoffnung geben

Petronella beschreibt die Beziehung zwischen der „diktatorischen“ Regierung Simbabwes und der Gewerkschaft als „antagonistisch“, wie „Katze und Hund.“ Wer Kritik an der politischen Führung übt, muss mit „Gegenschlägen“ rechnen. De jure garantiert die Verfassung der Präsidialrepublik freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und demokratische Wahlen des Staats- und Regierungschefs sowie der Nationalversammlung. De facto stehen diese konstitutionellen Freiheiten im Widerspruch zu nationalen Gesetzen. Wahlen sind intransparent und unfair. Das Misstrauen der Bürger:innen gegenüber ihrem Staat ist groß. Daher sehen es auch die organisierten Arbeiter:innen ungern, wenn die Gewerkschaftsführung das Gespräch mit der Regierung sucht. Petronella, eine junge Frau mit kräftiger Stimme, lässt sich davon nicht beirren. Als Gewerkschafterin macht sie für eine hohe Beteiligung an den Präsidentenwahlen im kommenden September mobil. Sie hofft, mit den Vielen Druck auf die Regierung auszuüben, verfassungsrechtlich garantierte demokratische Teilhabe auch tatsächlich umzusetzen.

Internationale Solidarität

Kaum hat Petronella ausgesprochen, betont Rosemary Tolupe, Generalsekretärin der Chemie-Arbeiter:innen-Gewerkschaft und Vize-Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend Nigerias, selbstbewusst, wie wichtig es sei, dass „sich Gewerkschaften international gegenseitig den Rücken stärken“; im Fall von Simbabwe genauso wie den Philippinen. „Überall auf der Welt protestieren Bürger:innen gegen sozio-ökonomische Ungerechtigkeiten,“ sagt sie. Überall auf der Welt versuchen Regierungen, das als eine von Teilen der Bevölkerung ausgehende Bedrohung der nationalen Sicherheit darzustellen. Unsere Gesellschaft dürfe sich davon nicht „in Fronten spalten“ lassen. Eva Agyekum, Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend der Holzarbeiter:innen Ghanas, springt ihr bei: „das Problem einer Gewerkschaft ist das Problem aller Gewerkschaften.“

„The union makes us strong”

Alle Teilnehmerinnen sind sich einig, die Teilnahme an der ITUSA macht Mut, gemeinsam die Welt fairer und partizipativer zu gestalten. Nach zehn intensiven Tagen haben sie sich mit anderen Gewerkschaften weltweit vernetzt. Ihre praktische Fähigkeit, zu mobilisieren, hat sich verfeinert. Sie werden dieses Wissen breit in ihre Bewegung vor Ort tragen. Daniela Abazi, lokale Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend der Autonomen Gewerkschaft Serbiens und Jazzsängerin, singt am letzten gemeinsamen Abend „dream a little dream of union.“ Rosemary stimmt zum Arbeiterlied „Solidarity forever“ an und beeindruckt mit einer eigenständigen Strophe für die Stärkung der Frau in der Gewerkschaftsbewegung. Ivanna Khrapko, Vorsitzende des Jungendrats des Gewerkschaftsbunds der kriegsgebeutelten Ukraine, sagt zum Abschied, sie hätte gedacht, dass die Jugend die Zukunft sei. Jetzt gestärkt durch die Kurserfahrung ist ihr aber bewusst geworden, „eine junge internationale Gewerkschaftsbewegung ist die Gegenwart.“

(Lia Musitz)