Jede fünfte junge Person weltweit ist weder in Ausbildung noch im Job. Die sogenannte NEET-Generation (Not in Education, Employment or Training) zeigt eindrücklich, wie groß die Krise ist: Millionen junger Menschen stehen am Rand des Arbeitsmarktes. Wo Regierungen oft zu langsam reagieren, nehmen junge Gewerkschafter:innen das Heft selbst in die Hand.
Seit 2019 findet die International Trade Union SchoolAustria (ITUSA) jeden Sommer in Wienstatt, organisiert vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und dem Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) mit Unterstützung der Arbeiterkammer. Dieses Jahr umfasste der Kurs 17 junge Gewerkschafter:innen von fünf verschiedenen Kontinenten. Die inhaltliche Leitung des Trainings wurde durchgeführt von Zainab Abudeeb, Carol Beaumont und Todd Brogan vom IGB.
Im Mittelpunkt des Kurses stand die Vermittlung von Führungskompetenzen. Die Teilnehmer:innen arbeiteten gemeinsam an nationalen Aktionsplänen. Ziel war es, junge, aufstrebende Gewerkschafter:innen zu stärken, ihre Führungsqualitäten zu vertiefen und ihnen jene Werkzeuge in die Hand zu geben, um Veränderungen in ihren Heimatländern voranzutreiben.
Trotz unterschiedlicher Herkunft; von Mexiko und der Dominikanischen Republik über die Niederlande, Österreich und die Ukraine bis nach Bahrain, Tunesien und Bangladesch, verbanden die Teilnehmer:innen geteilte Erlebnisse als junge Menschen in der Gewerkschaftswelt: das Ringen um Anerkennung, das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden und die Hürden veralteter Strukturen. Besonders junge Frauen berichteten von zusätzlichen Barrieren: Sie werden nicht nur an ihrem Alter, sondern auch an ihrem Geschlecht gemessen.
Mut, Engagement und internationale Solidarität
Trotz aller Hürden engagieren sich diese jungenMenschen mit Leidenschaft für mehr Gerechtigkeit in der Arbeitswelt. Gewerkschaften leben davon, dass neue Generationen Verantwortung übernehmen und frische Ideen einbringen. ITUSA bereitet sie darauf vor.
Da ist beispielsweise Remco aus den Niederlanden, der mit nur 19 Jahren vomSupermarkt an den Flughafen wechselte und sich in der Gewerkschaft engagiert.Sein Antrieb: die Erfahrung, dass junge Arbeiter:innen oft geringere Löhne erhalten. Sayed aus Bahrain wurde trotz schwieriger Arbeitsbedingungen von seinen Kolleg:innen zum Gewerkschaftssekretär gewählt. Innerhalb wenigerMonate organisierte er die Belegschaft in einem Land, in demGewerkschaftsarbeit oft von politischer Repression begleitet wird.

Zusätzliche Einblicke bot der Besuch in der Arbeiterkammer, wo Mitarbeiter:innen die Institution vorstellten und internationale Expertisen diskutiert wurden.
Anastasiya aus der Ukraineberichtete von den Herausforderungen unter Kriegsbedingungen, von der Bedrohung durch russische Aggression und den Einschränkungen für Gewerkschaften in ihrem Land. Alejandra aus Honduras sprach über männerdominierte Strukturen, Apathie junger Menschen gegenüber Politik und Gewerkschaften und die Notwendigkeit,Räume zu schaffen, in denen junge Menschen tatsächlich mitgestalten können.
Lernen aus der Geschichte
Nach intensiven Tagen in Wien reiste die Gruppe weiter nach Oberösterreich, um ihre Arbeit zu vertiefen. Auf dem Programm standen unter anderem Kampagnenplanung und strategische Kommunikation. Besonders eindrücklich waren neben dem Besuch beim Feuerwehr-Gerätehersteller Rosenbauer vor allem die Einblicke in die Geschichte des ehemaligen KZ Ebensee, die bei den Teilnehmer:innen einen tiefen Eindruck hinterließen. Die Auseinandersetzung mit den Schrecken desNationalsozialismus und Zwangsarbeit machte allen Teilnehmer:innen deutlich, wie eng die Kämpfe von heute mit der Geschichte verbunden sind. Gewerkschaften sind nicht nur ein Instrument zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen, sondern auch ein Bollwerk gegen Faschismus und Ausgrenzung.
Jugend als Motor der Veränderung
ITUSA hat gezeigt: Jugend ist kein Hindernis, sondern ein Motor.Sie ist unbequem, kritisch, mutig. Junge Gewerkschafter:innen bringen neueEnergie, frische Ideen und den Mut, Strukturen radikal zu hinterfragen. Ob es um Homeoffice-Gesetze, Rechte für Plattformarbeiter:innen oder Diversity-Kampagnen geht, diese jungen Menschen setzen die ersten Schritte.

Die Teilnehmer:innen wurden auch von Expert:innen des ÖGB unterstützt, die sie gezielt beim Erwerb neuer Kompetenzen begleiteten. Dazugehörte auch das junge Social-Media-Team der ÖsterreichischenGewerkschaftsjugend, das sie beim Erstellen von Reels und TikToks für Kampagnen anleitete.
Gewerkschaften geben Antworten auf die Fragen unserer Gegenwart und stehen für die Hoffnung auf ein gerechteres Morgen. Sie sind Instrumente, mit denen wir die Zukunft gestalten und diese Zukunft gehört der Jugend.