Junge Menschen in Georgien hoffen bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr auf einen pro-europäischen Kurs

2024 stehen in Georgien Parlamentswahlen an. Dabei wird es für das südkaukasische Land um eine Grundsatzentscheidung gehen: Georgien würde politisch entweder weiter Richtung Russland rücken oder wieder die Beziehungen zu Europa stärken.

Für die Studentin Lana F. steht bei den kommenden Wahlen vieles auf dem Spiel: „Ich sorge mich darüber, dass wir wie Orbans Ungarn werden.“ Und das wäre noch die „bessere Variante“, schildert sie polemisch. Noch schlimmer wäre nur noch eine weitere Annäherung der Regierung an Russland, sagt die 24-jährige Politikstudentin.

Arbeitnehmer:innenrechte werden sichtbarer

In ihrem Student:innenjob, als Kellnerin in einem angesagten Lokal in der Altstadt von Tiflis, bekommt sie täglich zu spüren, wie wichtig es ist als junger Mensch seine Arbeitnehmer:innenrechte zu kennen und auch einzufordern. Es sind Forderungen, wofür Gewerkschaften weltweit einstehen: bessere Arbeitsbedingungen, faire Löhne, gerechte Umverteilung. „Die Arbeit der Gewerkschaft ist in Georgien, wo es bei Arbeitnehmer:innenrechten Aufklärungsbedarf gibt, wichtig und geht mit unserer Orientierung nach Europa einher“, findet Lana F.

Junge Menschen entscheiden mit

Das Beispiel von Lana F. zeigt: gerade junge Georgier:innen wünschen sich mehr Europa. Laut einer aktuellen Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung sind 62 Prozent der jungen Menschen in Georgien der Ansicht, dass das Land zu Europa gehört. Anfang 2023 gab es deshalb tagelange Massenproteste, vor allem von tausenden jungen Menschen, die den russlandfreundlichen Kurs der Regierung verurteilten.

Seither steht das Land vor einer demokratischen Entscheidung, die auch Einfluss darauf haben wird, wie sich das Klima rund um Arbeitnehmer:innenrechte entwickelt. Für Lana F. ist klar: „Ohne uns Junge wird es nicht gehen. Wir werden die europäische Zukunft Georgiens mitbestimmen.“

DIE LAGE IN GEORGIEN

Die Rechte der Arbeitnehmer:innen in Georgien wurden nach dem Zerfall der Sowjetunion abgebaut oder außer Kraft gesetzt. Das betraf auch die Arbeitsinspektorate, die aber auch dank ÖGB und nach österreichischem Vorbild wieder errichtet wurden. Dem waren drei Jahre intensive Zusammenarbeit mit dem Georgischen Gewerkschaftsbund vorausgegangen. Aber es gibt nach wie vor keinen landesweit geltenden Mindestlohn für alle Branchen: In manchen, wie etwa in der Textilbranche, liegen sie zwischen 8 und 50€ pro Monat. Der Anteil des informellen und prekären Arbeitsmarktes ist daher entsprechend groß. Dadurch sind Auseinandersetzungen, Streiks und Konflikte, wie etwa jener der Lieferdienstfahrer:innen im März 2023, häufig.