Die vierte Ausgabe des jährlichen „Platfor(u)m“ des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) brachte in Nikosia, Zypern, die Plattformarbeiter:innen-Bewegung aus ganz Europa zusammen. Gewerkschafter:innen, Wissenschaftler:innen, politische Entscheidungsträger:innen und Plattformarbeiter:innen versammelten sich um die bevorstehende Umsetzung der EU-Plattformarbeitsrichtlinie in allen 27 Mitgliedstaaten zu diskutieren.
Verabschiedet am 23. Oktober 2024 vom Europäischen Parlament und Rat, ist die Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter:innen am 1. Dezember 2024 in Kraft getreten. Von den EU-Mitgliedstaaten muss sie ab 1. Dezember 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Im Kern umfasst die Richtlinie drei Säulen. Diese sind 1) die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen digitaler Plattform und Plattformbeschäftigten 2) die Regulierung des algorithmischen Managements, um zu verhindern, dass wichtige Entscheidungen über Bezahlung, Einstellung und Entlassung ohne vollständige Transparenz getroffen werden und3) die Anerkennung von Gewerkschaften und die Notwendigkeit von Kollektivvertragsverhandlungen im Plattformsektor, um den weiteren Einsatz von Algorithmen als Mittel zur Gewerkschaftsbekämpfung zu verhindern.
Subunternehmen statt Anstellung
Mit diesem Hintergrund wurde der Kurswechsel von Just Eat Takeaway, das sich zunehmend aus der direkten Anstellung seiner Fahrer:innen zurückzieht, besonders diskutiert. Nach Stellenstreichungen in Großbritannien und Frankreich baut das Unternehmen nun 3.000 Jobs in Österreich und Deutschland ab. Auch in Dänemark kam es jüngst zu Massenentlassungen – mit anschließender Wiedereinstellung über Subunternehmen. Untersuchungen zeigen: Solche Konstruktionen erleichtern Lohndumping und Gesetzesverstöße, da Zwischenfirmen die Risiken übernehmen, während die Plattformen selbst unbeschadet bleiben.
In Berlin wurde dieses Modell bereits sichtbar. Das Subunternehmen Fleetlery zahlte Fahrer:innen bar und nur für Lieferzeiten, verlangte Geld für den Zugang zu Arbeit und erzwang ständige Verfügbarkeit. Im September protestierten Lieferando-Kuriere vor der deutschen Zentrale und die Gewerkschaft NGG rief für Oktober zum Streik auf.
Das Bundesarbeitsministerium erkennt die Herausforderungen: Plattformen können ihr Geschäftsmodell rasch umstellen, was Regulierung erschwert. Geplant sind daher unter anderem eine Mit-Haftung bei Sozialabgaben, ein öffentliches Subunternehmer:innen-Register oder sogar ein Verbot solcher Konstruktionen, wie es bereits in der Fleischindustrie gilt. Erfahrungen aus Kroatien, wo Fahrer:innen seit Jahren ausschließlich über Subunternehmen, also fragwürdige „Aggregatoren“ beschäftigt werden, zeigen die Gefahren deutlich.
Eine „falsche Autonomie“
Auch im europäischen Ridehailing-Sektor ist Subcontracting weit verbreitet. Spanien beweist jedoch, dass es Alternativen gibt: Dort stellt die Arbeitsinspektion klar, dass die Plattformen – nicht die Subunternehmer:innen – die eigentlichen Arbeitgeber sind. Seit dieser Feststellung sind die Plattformbeschäftigten wie „echte Arbeitnehmer:innen“ gesetzlich zu behandeln. In Spanien kann die Einstufung von Essenslieferantenals Selbstständige („falsos autónomos“), obwohl sie tatsächlich unter der Kontrolle eines Arbeitgebers arbeiten, nach einer behördlichen Verwarnung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 6 Jahren sowie zu Geldbußen führen. „Das Unternehmen, das die App kontrolliert, kontrolliert auch die Arbeit – und muss deshalb als Arbeitgeber gelten“, betonte Victor Ballester Alarcón von der katalanischen Arbeitsinspektion.
Die Plattformarbeitsrichtlinie – für faire Arbeitsbedingungen
Die Plattformarbeitsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Beschäftigte denselben Schutz genießen –unabhängig davon, ob sie direkt oder über Dritte angestellt sind. Arbeitgebermüssen eindeutig identifizierbar sein. Für die Gewerkschaften ist klar: Nur direkte, transparente und rechtlich verbindliche Arbeitsverträge können faire Arbeitsbedingungen sichern.